Phillip Sollmann / Konrad Sprenger

Phillip Sollmann und Konrad Sprenger im Kulturwerke Parkhaus
Phillip Sollmann und Konrad Sprenger im Kulturwerke Parkhaus © Jan Höhe

„Modular Organ System” (Monheim am Rhein)
Installation, adaptiert für The Sound

Konzept: Phillip Sollmann und Jörg Hiller
Super Collider Programmierung: Max Eilbacher
Technische Assistenz: Sebastian Wolf
Assistenz Produktion: Valeria Baudo
Teile der Installation wurden mit Hilfe von Singuhr e.v. im Rahmen der Reihe „Modular Music“ (2022) ermöglicht mit Mitteln der Bundeskulturstiftung in Kooperation mit CTM Festival. 

Kulturwerke Parkhaus, Daimlerstraße

Jeweils Samstag und Sonntag 12 bis 19 Uhr

Für The Sound haben die beiden Berliner Künstler Phillip Sollmann und Konrad Sprenger ihr gemeinsames Projekt Modular Organ System auf spektakuläre Weise für eine Etage eines im Bau befindlichen Parkhauses adaptiert, das für die Besucher zu regelmäßigen Zeiten geöffnet wurde.

Arnold Dreyblatt beschreibt das Modular Organ System wie folgt:

Das Bedürfnis nach einem automatisierten Musikinstrument zur Erzeugung eines größeren Ensembleklangs, das von einem einzelnen Interpreten aktiviert wird, scheint so alt zu sein wie die Musik selbst. Als älteste Musikmaschine geht die Orgel (zunächst als Wasser- oder Hydraulikinstrument) auf die griechische und römische Antike zurück, nachdem sie im Mittelalter in Europa wieder eingeführt worden war. Seinen Höhepunkt erreichte das Instrument in den riesigen Theater-, Kino- und Symphonie-Orgeln des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die eine Art „Proto-Synthesizer“ darstellten, der dann von der Digitaltechnik verdrängt wurde. Die taktile und körperliche Erfahrung von mechanisch erzeugten akustischen Schallwellen in architektonischen Räumen ist jedoch nicht leicht zu ersetzen, und die Orgel wurde in den letzten Jahren von zeitgenössischen Komponisten und Interpreten zunehmend wiederentdeckt.

Als örtlich gebundene Rauminstallation, bei der sich die klangerzeugenden Elemente in großer Entfernung von den Hörerinnen und Hörern und meist außer Sichtweite befinden, schien die Orgel lange Zeit dringend einer Neuerfindung zu bedürfen. In den letzten fünfzig Jahren, in denen sich Komponistinnen und Komponisten sowie Musikerinnen und Musiker zunehmend auf die akustische Natur der Klangerzeugung im architektonischen Raum konzentriert haben, kann die Erfahrung der Bass-Schwingungen einer langen Flötenpfeife oder der hohen oszillierenden Obertöne von Zungenpfeifen aus nächster Nähe inspirierend sein. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis die historische Orgeltechnik als dezentral und räumlich neu verteilt gedacht wird.

Phillip Sollmann und Konrad Sprenger sind beide musikalisch genreübergreifend zu Hause: Ihre Arbeiten reichen von experimentellen Kompositionen über nicht-westliche Traditionen bis hin zu populären und elektronischen Artikulationen. Es ist kein Zufall, dass sie einen frischen und offenen Ansatz zur konzeptionellen und physischen „Explosion“ der Orgel als immersive Raumerfahrung einbringen. So wie die einzelnen Organe des Körpers innerhalb eines organischen Netzwerks funktionieren, schaffen Sollmann und Sprenger ein integriertes modulares System von Komponenten, das aus Luftpumpen, vibrierenden Elementen und resonierenden röhrenförmigen Kammern besteht und sowohl skulptural als auch akustisch funktioniert. Die musikalischen Elemente sind stark reduziert, so dass die Variationen in Dimensionen, Materialien und Obertongehalt „für sich selbst sprechen“. Die Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, sich in einer klanglichen und skulpturalen Landschaft zu bewegen, in der subtile Unterschiede in der subjektiven Klangwahrnehmung eine individuelle Reaktion hervorrufen. Die Technologien der Klangerzeugung werden hier sichtbar gemacht, da sich das neugierige Publikum aktiv bewegt, indem es die brummenden Motoren, Luftschläuche, Rohre und Hörner in unterschiedlichen Formen und aus oft unkonventionellen Materialien untersucht und anhört. Vor allem aber hat der Besucher den Eindruck, sich im Inneren einer Orgel zu befinden, anstatt sie von außen zu hören.

Und tatsächlich verstehen Sollmann und Sprenger das Modulare Orgelsystem als ein fortlaufendes Forschungsprojekt, bei dem ständig neue Technologien, Materialien und Aufführungstechniken entwickelt, getestet und umgesetzt werden. Sie haben mit Musikerinnen und Musikern, bildenden Künstlerinnen und Künstlern, traditionellen Orgelbauerinnen und Orgelbauern, Computerprogrammiererinnen und -programmierern und Designerinnen und Designern zusammengearbeitet, um die technologischen und historischen Grenzen traditioneller Orgelsysteme neu zu denken: die Computersteuerung von Parametern wie Luftströmung und nichttemperierte Feinabstimmung; die Rolle und visuelle Wirkung der Pfeifen und Resonator-Hörnern; die Verwendung synthetischer Materialien sowie die relative Größe und Bewegung im Raum, die modulare Bauweise für Aufbau, Transport und Neukombination von Elementen.

Das „Modular Organ System“ stellt ein Modell für Musikkomposition als Projekt dar, das die Gesamtheit des Musikmachens umfasst: als Komposition, Aufführungspraxis und Entwicklung von Instrumenten im akustischen Raum.

Arnold Dreyblatt, 2022

Biografie

Phillip Sollmann lebt und arbeitet in Berlin, als Künstler und Komponist. Unter seinem Pseudonym Efdemin ist er Resident-DJ im Berghain und hat mehrere Alben veröffentlicht.
Konrad Sprenger, alias Jörg Hiller, lebt und arbeitet in Berlin, als Künstler, Komponist und Musikproduzent. Sprenger arbeitet seit Jahren zusammen mit Arnold Dreyblatt, Ellen Fullman, Oren Ambarchi sowie mit namhaften Bands wie Ethnostress, Rom, Ei und der Kunstgruppe Honey-Suckle Company.

Das Modular Organ System wurde 2017 von Sollmann und Sprenger entwickelt und war bisher an folgenden Orten zu sehen: Kestnergesellschaft, Hannover (2017); Galerie Mathew, Berlin (2017); Studio Dirk Bell, Berlin (2018); Stiftung Ludwig, Aachen (2018); Meakusma Festival, Eupen (2018); Auf AEG, Nürnberg (2019); KW Institute for Contemporary Art, Berlin, (2020).

Im Frühsommer 2023 erscheint die erste Dokumentation des Projekts auf dem Label Choose Records.

Webseite von Phillip Sollmann mit gemeinsamen Projekten mit Konrad Sprenger

Das „Modular Organ System” im Kulturwerke Parkhaus in Monheim am Rhein
Das „Modular Organ System” im Kulturwerke Parkhaus in Monheim am Rhein © Jan Höhe